Freitag, 27. Juni 2014

Textmuster bei Menschen mit Demenz

Hilflos in einer Denkschleife gefangen. Vor kurzen betreute ich eine Patientin mit Demenz. Man hörte sie schon durch die Tür über den Flur hindurch eine Wortfolge sagen: "Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte ich will heim". Es klang zum Erbarmen- doch es war gerade so viel Arbeit, als dass ich mir hier Zeit nehmen könnte um direkt auf sie einzugehen!???? Sie wiederholte es fortwährend- ohne Ende. Genau das kommt immer wieder vor, in der Nähe von Senioren mit Demenz.

Was kann man da überhaupt bewirken, wenn wenig Zeit ist? Als ich neulich bei ihr am Pateinten-Bett war, hörte sie nicht sofort auf. Was macht man da?? Der erste Reflex ist oft: "Oh, nein - ich möchte am liebsten vorbeigehen". Denn so monotone Texte machen immer etwas mit jedem. Jede Situation ist neu und benötigt völlig andere Werkzeuge. Das ist nicht leicht.

 



Pflegepersonal, Bertreuungskräfte, Pflegehelfer usw. und Pflegende Angehörige leisten ungeheuerliches! Man bedenke, Angehörige sind da vieleicht noch hilfloser. Sie wohnen im selben Haus. Wir Pflegende oder Betreuende gehen nach der Arbeit.

Ich habe besonders großen Respekt vor dem Einsatz Pflegender Angehöriger! Gut, wenn sie sich Hilfe holen können. Manchmal hilft es, wenn jemand von außen kommt und mit neuen Impulsen Gutes bewirkt. Mit heilsamen Singen hat sich schon einiges bewegen können und manchmal kann es auf neue Art auch zu Hause friedlich(er) werden.

Was kann man tun, wenn ein älterer Mensch in so einer Denkschleife ist?
  1. sich selber stabilisieren- mich im hier und jetzt fühlen können
  2. wer stabil ist kann auch geben
  3. Gut hinschauen- genaues beobachten und wahrnehmen: Was sehe ich, was höre ich, was fühle ich im Raum? 
  4. leidet der Mensch momentan unter einen Umstand, den er selber nicht beheben kann?
  5. Meine Beobachtung (s.o.) war, dass der Sprechryhthmus scheinbar beruhigend auf die Patientin wirkte, denn ihr Atem war ruhig und der Ton sehr entspannt
  6. Vielleicht hat derjenige aber auch Schmerzen, oder braucht einfach eine andere Position, oder eine zeitliche/räumliche Orientierung?
  7. Diese Dinge beheben- vielleicht ist schon durch die körperliche Unterbrechung eine Änderung des Denkmusters da.
  8. Wenn nicht, erst dann kann man mal ein Lied singen oder summen. Einfach so nebenbei, bei der Pflege oder beim Aufräumen im Zimmer, leise vor sich hin singen. 
  9. Kommt nun die Person ins "jetzt" und ist mit der Aufmerksamkeit "da"? Dann kann er/sie meistens gar nicht mehr weitermachen.
  10. Wenn das Bewusstsein ganz da ist, kommt ein Blickkontakt ( der oft vorher nicht möglich ist) und hier kann dann ein Impuls vom Pflegenden oder Betreuer kommen.
  11. Welche Impulse sind hier hilfreich? Wertschätzung, segnende Worte, Gutes sagen, Schönes sehen und drauf hinweisen ( Blumen, schöne Bettwäsche, schönes Bild, schöne Augen der Person...) auf gute Worte hört jeder gern hin.
Durch Vertrauen und Respekt Zugang bekommen- und den anderen berühren, da wo er hilflos ist.



Ein bekanntes Volkslied singen. In der Situation, die ich erlebt habe, habe ich mit der Patientin ein ihr bekanntes Volkslied gesungen. Sie meinte sie kann es nicht singen. Ich bin nicht drauf eingegangen und habe öfters von vorne angefangen, bis sie tatsächlich mitgesungen hat! Zögerlich -aber es ging.
Ich gab ihr zur Hausaufgabe nun zu üben, bis ich wiederkomme, denn ich würde wieder mit ihr Singen.

Ein Textmuster hat keine Chance, wenn jemand im "Hier" ist. Den ganzen Vormittag, hörte man nicht mehr dieses Textmuster! Oft kommen Muster zum Schichtwechsel wieder, wenn sich etwas ändert am Tagesablauf- Das ist überhaupt nicht verwunderlich und völlig normal. Wichtig ist, dass es einmal eine Erleichterung gab- das ist schon ein Geschenk- für beide.

Was sind Eure Erfahrungen? Schreibt doch kurz einen Kommentar, denn so kann man voneinander Profitieren-
Angela Krüger